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Kinder GottesDer Regard protestant von Volker Strauss (4.9.2016)![]() „Wir alle sind Gottes Kinder“, betont Paulus im Brief an die Gemeinde in Rom (Römer 8, 16). Im kaiserlichen Rom waren diese Worte eine religiöse und politische Sensation. Rom war ein Sammelbecken für verschiedenste religiöse Gruppen und in der Antike zugleich das machtpolitische Zentrum des gesamten Mittelmeerraumes. Menschen aus unterschiedlichsten Völkern und aus verschiedensten gesellschaftlichen Schichten trafen in Rom zusammen – und eben auch in der jungen christlichen Gemeinde in den Katakomben der Welthauptstadt. „Wir alle sind Gottes Kinder“ : Das war die Erfolgsbotschaft der ersten Christen. Sie hatten erkannt, dass trotz aller Unterschiede die Menschen auf dieser Erde um Gottes Willen viel mehr Gemeinsames haben als Trennendes ; und dass alle diese unterschiedlichen Menschen deshalb Teil der einen christlichen Gemeinde sind. Bischof Lefèbvre sah das anders, als er vor vierzig Jahren ein Hochamt in lateinischer Sprache zelebrierte und damit den Bruch mit der römisch-katholischen Kirche provozierte. Lefèbvre riskierte eine weitere Aufspaltung der Christenheit, um seine Glaubensüberzeugung durchzusetzen. Der damalige Papst Paul VI. antwortete auf die Provokation mit der Exkommunikation, dem Ausschluss aus der römisch-katholischen Kirche. Natürlich war die Gottesdienstsprache Latein nicht das alleinige Problem im Fall Lefèbvres. Aber es war ein Signal der Sehnsucht nach Tradition, welches bis heute wirksam ist. Denn auch wenn die Verwendung der lateinischen Sprache im Gottesdienst nach den wegweisenden Entscheidungen des Vatikanum II ab den 1970er-Jahren verpönt war, so ist in den letzten Jahren doch zu beobachten, dass die sogenannte „Tridentinische Messe“ eine Auferstehung erlebt und Latein im Gottesdienst wieder breiter verwendet wird als früher. Es gilt als eine der unbestrittenen Errungenschaften der Reformation – und wohl auch des Vatikanum II – Liturgie und Bibel den Menschen in ihrer Muttersprache zugänglich und verständlich zu machen. Es scheint sich aber andererseits eine Sehnsucht nach dem „authentischen“ Gottesdienst aus der Epoche der Gegenreformation Gehör zu verschaffen. Das ist etwas Anderes, als wenn viele mit Begeisterung „Ubi caritas“ oder ein „Gloria“ singen, ohne damit ein Problem zu haben. Im mehrsprachigen Luxemburg kann man sowieso entspannt mit der einen alten Sprache „mehr“ umgehen. Aber trotzdem ist man als unverbesserlicher evangelischer Rationalist versucht zu fragen, ob das meist unverständliche und leider auch unverstandene „Latein“ das Evangelium den Menschen näher bringt, ob Pastor und Gemeinde damit nicht wieder weiter auseinanderrücken, oder die Kinder Gottes in „Modernisten“ und „Traditionalisten“ aufteilt und damit letztlich die Gemeinschaft der Christen erneut auseinanderbringt. Doch selbst wenn diese sehr spezielle Sprachen-Frage kontrovers erörtert wird – dann hoffentlich nicht in der Weise, dass wir uns gegenseitig den rechten Glauben absprechen. Zu solchen Kindereien habe ich keine Lust mehr. Ich will keine Rechthaberei im Namen Gottes. Ich will mich in Glaubensfragen nicht kindisch benehmen. Fragen will ich gerne weiterhin stellen, aber besonders versuche ich Toleranz und suche ich Vertrauen. Vertrauen, das Gott wieder zutraut, mit unseren menschlichen Vorläufigkeiten und Unvollkommenheiten klarzukommen. Vertrauen, welches die christliche Kirche als geistliche Heimat oder spirituelles Elternhaus nicht für sich allein beansprucht. Vertrauen, das sich gegenüber anderen Kindern Gottes nicht als Elternersatz aufspielt. Und vor allem : kein Streit, keine Verunglimpfung, kein Verächtlichmachen und schon gar nicht Mord- und Totschlag im Namen Gottes ! Denn jedes Wort in diesem einem Satz des Paulus ist für uns Christen und Christinnen wichtig : „Wir – alle – sind – Kinder – Gottes.“ Oder – um es mit den Eingangsworten der Enzyklika Johannes Paul II auf Latein zu sagen : „Ut unum sint“. Der Autor ist Titularpastor der Protestantischen Kirche von Luxemburg Quelle : Luxemburger Wort |