Kinderglaube

Der Regard protestant von Volker Strauss (25.12.2016)

Ich, gewollt, geschaffen, vom Schöpfer aller Dinge ins Sein gerufen, Tochter/Sohn Gottes

Christfest 2016 – noch einmal – und doch wieder mit anderen Augen. Der eine geht auf Weihnachten zu mit getrösteten Herzen, weil alte Wunden geheilt, die anderen weil endlich Neues in Sicht ist : neue Liebe, neues Kind oder Enkel. Manche feiern nach schwerem Abschied und mit Wehmut, einige nach Verlust und Schmerz wieder dieses Fest der Herzen.

Das Herz liegt an Weihnachten bloß. Alltags schützen wir die Seele oft vor Gefühlen, regieren wie Kaiser, tun Dienst wie Hirten, suchen Lebensunterhalt wie Josef. Aber dann, im Bild gesprochen, sind wir wie Maria mit Kind. Ganz da, ganz Gefühl, neugeboren mit viel zu dünner Haut, ausgeliefert, hingegeben an das Glück, ich zu sein, in der wunderbaren Nähe zu diesem einen, ganz besonderen Kind.

Das Kind betrachtend, ist die Seele außer sich, sieht sie doch das eigene Ich, den eigenen Anfang in Windeln gewickelt und in einer Krippe liegend. Bei jedem von uns ist die Seele wohl nur notdürftig untergebracht, wenn überhaupt, wie im Stall, zu oft sogar ohne Bleibe. Und die Seele hat es zugig und weiß nicht mehr, wo ihre Heimat ist.

Im Angesicht des Kindes kommt die Seele nach Hause. Die Seele, die in der Krippe der Liebe liegt. Wir meinen den Atem von Ochs und Esel zu spüren. Wir merken, wie sich unser Ich in uns wieder aufrichtet, eben wie ein Kind sich streckt, die Faust reckt, so erhebt sich unser Ich, jeder spürt : Ich darf leben – das schenkt ein ungeheures Selbstbewusstsein, dass ich weiß, Ich, gewollt, geschaffen, vom Schöpfer aller Dinge ins Sein gerufen, jeder von uns darf von sich sagen und glauben : Tochter/Sohn Gottes zu sein, auf dieser Erde geboren mit einer besonderen Berufung. Weihnachten ist ein Glück, denn wir beginnen zu ahnen, welches unsere Berufung ist, stimmen unser Wesen ab mit dem Betreiber der Welt. Das Kind in der Krippe ist dafür das schönste Bild, Wasserzeichen fürs Menschsein, von Gott selbst eingezeichnet : Das Kind in der Krippe, ohne Macht und Gewalt, ausgesetzt der Willkür und der Güte. Und wir entdecken uns, einmal mehr, ganz anders, auch in uns ist dies schutzlose und das über alle Maßen strahlende Kind, das dem Leben vertraut. An diesem denkwürdigen Abend werden wir vor das Kind gestellt. Es schaut uns an, es blickt uns in die Seele, und dann fällt uns die Rüstung ab und wir werden auf die Knie gezwungen. Man kann kein Kind von oben nach unten anblicken – wir müssen uns doch auf gleicher Ebene anschauen – es nimmt uns in sein Vertrauen auf.

Da fällt all unser verkehrtes Wesen von uns. Die Waffen und Zäune, der Schutzwall aus Wörtern, die Hartherzigkeit reißt auf wie eine Nebelwand, und die Sonne des Lebens erstrahlt durch uns.

Vorher zählte der Mensch nicht viel

Geburtstag hat jeder seinen eigenen. Aber einen Geburtstag feiern wir, der gehört uns allen zusammen. Dass Jesus geboren ist, erhebt uns Menschen insgesamt. Vorher zählte der Mensch nicht viel. Die Kaiser der Erde zwingen und gängeln die anderen. Und wenn wir selber den großen Max spielen, dann haben wir das Kind in uns schon verraten, sind dem Jesus keine Krippe, machen andern Angst, um unsere Angst loszuwerden.

Aber Jesus, das Kind, macht es anders, es nimmt uns die Angst ab, indem es uns an die Hand nimmt und in den dunklen Keller vorgeht oder zu dem Kranken ganz unbefangen ans Bett tritt. Das Kind entwaffnet uns, indem es sich ausliefert an das Wirkliche, ungeschützt, vertrauensvoll.

Mit diesem Kind erkennen wir in uns unsere besten Möglichkeiten. Das sich Behaupten wollen und sich immer noch Größer machen, das hat uns über das Jahr doch kärglich und kleinlich gemacht, argwöhnisch und eng ; aber das Kind in der Krippe legt uns die Seele wieder frei als Spiegel der Fülle Gottes.

Und wir ahnen wieder unsere Begabung für Großmut und Verströmen. Nicht allein bei sich bleiben können, sondern sich treiben und gehen lassen, zum andern hin. Wir lassen auch den andern als Kind Gottes gelten : Du bist wichtig, kostbar, nötig, heilig, mindestens so wie ich.

Dass die Oma nur gesund bleibe, und das heil wird, was zerbrochen oder krank geworden. Dieser Traum bewegt uns. Dieser Wunsch, dass doch endlich alles heil, ganz und eins werde, macht uns menschlich. Diese Sehnsucht entwickelt uns weiter.
Dieses gelebte Prinzip Hoffnung ist der Stoff, ist das Glück von Weihnachten, macht uns dieses Festes so lieb, wir suchen deshalb sein Gelingen, statt sein Scheitern, welches wir so sehr fürchten. Die Hirten werfen ihr mürrisches Dasein ab, sie machen sich auf und kommen eilend, die Geschichte zu sehen ; sie wollen vom Glanz in dieser kleinen Hütte was abbekommen und selber aktiv werden. Sie schütteln eine Art Hundeleben von sich ab, das sich ins Dasein nur geworfen fühlt. Sie lassen sich vom Kind anstecken mit Mut. Sie gehen verändert von der Krippe an ihr Leben : Sie nehmen den Kampf auf gegen die Urheber von Furcht. Damit das Leben, ihr Leben, damit auch unser Leben ein würdiges, ein schönes, ein furchtloses und freies Dasein ist.

Dieses eine Kind bewirkt, dass wieder glauben können, das man findet, was hilft. Hoffnung kann böse missbraucht werden, aber wir sollen uns mit dem, was schlecht ist, nicht abfinden. Wir werden doch vom Wünschen und Sehnen hingetragen zu Freude und Lieben.

Die Engel, die auch nicht weit vom Stall singen, die geben unserer Sehnsucht mit 
ihren Worten das Ziel : Gott die Ehre, Frieden der Erde und 
den Menschen ein Wohlgefallen aneinander. Also ehren 
wir nicht länger die Macht, knien nicht ständig vor dem Geld, sind nicht mehr willfährig den Einflussreichen. Sondern geben wir Gott die Ehre, und sagen ihm Dank für das Leben.

Im Laufe eines Jahres ist viel verloren gegangen, was maßvoll ist, und unsere Maßstäbe werden durch das Kind geheilt, so dass wir nicht Müll anbeten und Falsches oder Aufgeblasenes für Gott halten.

Und Friede auf Erden ist wichtig – dass wir nicht grausame Gewinner sind, sondern Beschämung ersparen. Und ein Ende habe dann auch alles Nörgeln und Sticheln. Denn Wohlgefallen aneinander ist uns verheißen. Lassen wir einander mehr gefallen, werten wir nicht mehr so nach Mögen. Keiner hat sich selbst geschaffen. Und der Schein des Kindes hellt doch jeden auf. Lass dich lieben und liebe du, Gram soll vergehen, Kummer entfliehen, Wir haben uns noch viel zu geben – nicht nur an Weihnachten.

Der Autor ist Titularpastor der Protestantischen Kirche von Luxemburg.

 
Service Kommunikatioun a Press . Service Communication et Presse
Äerzbistum Lëtzebuerg . Archevêché de Luxembourg

© Verschidde Rechter reservéiert . Certains droits réservés
Dateschutz . Protection des données
Ëmweltschutz . Protection de l'environnement