Kirche

Patrozinium: Johannes der Täufer

Die Pfarrei Mamer zählt mit Sicherheit zu den älteren kirchlichen Gründungen des Luxemburger Landes. Die Urkunde, mit der die Edeldame Luitgardis im Jahre 960 die Schenkung der Villa „Mambra“ an die Trierer Abtei St. Maximin bestätigt, erwähnt bereits eine Kirche. Der Schutzpatron des Gotteshauses, Johannes der Täufer, stellt ebenfalls einen sicheren Hinweis auf das hohe Alter der Pfarrei dar. Diese Tasache ist kaum verwunderlich, wenn man an die Bedeutung des Ortes in römischer Zeit denkt. Die in den letzten Jahrzehnten getätigten Ausgrabungen haben zahlreiche Überreste freigelegt, die auf die Ausdehnung der Siedlung und ihre weit gefächerten Tätigkeiten schliessen lassen.

Geschichte des Bauwerks

Die erste christliche Kultstätte in Mamer entstand wohl als Eigenkirche eines fränkischen Grossgrundbesitzers. Sie lag vermutlich an der gleichen Stelle wie die jetzige Kirche. Zusammen mit dem heute noch als Schloss bekannten Anwesen dürfte sie den Kernbereich der „Villa Mambra“ gebildet haben. Genauere historische Angaben über den Bau erhalten wir erst im 16. Jahrhundert. 1541 wird der Zehntherr Christophe Hoecklin verurteilt, die baufällige Kirche neu zu errichten. 720, nachdem mehrere Sachverständige ein Gutachten erstellt haben, verlangt der Provinzialrat wiederum einen Neubau. Der Unternehmer Leonard Ronés aus Koerich und sein Geschäftspartner Nicolas Steinmetz aus Luxemburg werden als billigste Submittenten mit der Arbeit betraut. Das Netzgewölbe des heutigen Chorraumes mit seinem spätgotischen Charakter deutet darauf hin, dass dieser Bereich wahrscheinlich mit den Materialien aus dem abgebrochenen Vorgängerbau errichtet wurde. Von dem neu geschaffenen Gewölbe des Kirchenschiffes sind heute lediglich zwei Schlusssteine erhalten. Sie sind an der nördlichen Aussenmauer der Sakristei angebracht und zeigen das Wappen der Anne-Marie de Bergeot, verwitwete d’Anly, sowie die Buchstaben IHS mit dem Datum 1721. Am 7. Mai 1723 nahm der Trierer Weihbischof Johannes Mattias von Eyss die Konsekration des Gotteshauses vor. Die Altarretabel aus dieser Zeit stehen noch heutzutage in der Kirche.

Gegen Ende des 18. Jahrhunderts stellte sich heraus, dass der Raum zu eng war und die stark angewachsene Bevölkerung nicht mehr fassen konnte. So kam der Gedanke einer Vergrösserung auf, der jedoch wegen der Auswirkungen der Französischen Revolution nicht sogleich in die Tat umgesetzt werden konnte. Erst 1844 wurde das Bauwerk nach Osten verlängert und erhielt an der Portalseite zwei Türme. Die Pläne für den Umbau hatte Architekt Jean-François Eydt (1808-1884) aus Luxemburg geliefert. Die Formensprache dieses Bauwerkes weist hin auf den damals für offizielle Gebäude sehr beliebten Klassizismus.

Weniger als hundert Jahre später musste eine weitere Ausdehnung erfolgen. Das von Jos Jentgen ausgearbeitete Projekt sah den Anbau eines monumentalen Querhauses vor. Um dessen Verwirklichung zu ermöglichen, musste zuerst der seit 25 Jahren nicht mehr benutzte, alte Friedhof eingeebnet werden. Die bei den Erdarbeiten ausgegrabenen Knochenreste wurden in der sogenannten Missionskapelle von 1854 am Ostportal bestattet. Heute stehen in diesem kleinen Heiligtum zwei interessante neogotische Grabsteine und ein kürzlich restauriertes Wegkreuz aus dem 17. Jahrhundert. Dieses stammt, wie zwei weitere an der Kirche aufgestellte Male, aus dem Bereich des früheren Kirchhofs.

Bereits 1932 konnte der monumentale Neubau mit seinem beeindruckenden Nordportal und der gegenüberliegenden Taufkapelle von Bischof Nommesch konsekriert werden. Sowohl für den äusseren Eindruck als auch für das innere Raumbild bleibt das Querhaus bis heute bestimmend. Von der Ausmalung, die auf alten Photos gut zu erkennen ist, hat sich nichts erhalten. Letze freigelegte Überreste haben sich von der Wand gelöst und konnten nicht gerettet werden. Die in den dreiziger Jahren geschaffene Fensterverglasung hat dem Zahn der Zeit besser widerstanden. Besonders die Kompositionen im oberen Bereich an den Stirnseiten des Querhauses beeindrucken durch ihre Monumentalität. Die Glasmalereien kommen aus den Werkstätten Binsfeld in Trier (Südseite) und Linster in Mondorf (Nordseite) Sie zeugen von dem Bemühen der Künstler, den Vorstellungen des Historismus endgültig zu entkommen und eine Erneuerung dieser für die kirchliche Kunst so wichtigen Gattungen herbeizuführen. Die Glasgemälde über dem Portal zeigen die Verkündigung, die Anbetung der Hirten, die Geburt Jesu, die Magier und die Heimsuchung. Über der Taufkapelle sind die Himmelfahrt Mariae, die Auferstehung und die Himmelfahrt Jesu dargestellt.

Nach dem Zweiten Weltkrieg wurden mehmals Renovierungsarbeiten ausgeführt, um die Kirche dem Zeitgeschmack, den neuen Möglickeiten der Technik und den Anforderungen der Liturgiereform anzupassen. Nachträglich muss man feststellen, dass diesen sicher gut gemeinten Bemühungen letzlich ein überzeugendes Gesamtkonzept fehlte. Resultat der verschiedenen Eingriffe war ein zusammenhaltloser, kühl wirkender Raum mit einem teilweise verstümmelten und entstellten Mobiliar. Neuanschaffungen fielen auf durch einen Mangel an Qualität und die Missachtung der Raumproportionen.

Restaurierung des Barockmobiliars

Mitte der neunziger Jahre kamen Pfarrer und Kirchenrat auf den glücklichen Gedanken, die wertvolle Barockausstattung aus der Greeff-Werkstatt in Altwies sachgemäss restaurieren zu lassen. Diese war nämlich bei der letzten Kirchenvergrösserung mit chemischen Mitteln bis auf das blosse Holz freigelegt worden. Dieser Eingriff, der dem weit verbreiteten Wunsch nach Materialechtheit entsprach, hatte diesen hervorragenden Bildhauerarbeiten jegliche Wirkung genommen. Barockkunst ist ja ohne Farbe eigentlich undenkbar. Da über die Kirchenrestaurierung in Körich gute Beziehungen zur Firma Ochsenfahrt aus Paderborn bestanden, wurde dieses Unternehmen mit den Arbeiten betraut.

Die 1995 ausgeführten Voruntersuchungen ergaben, dass nur äusserst spärliche Farbreste erhalten geblieben waren, die nicht ausreichten, um ein Restaurierungskonzept zu erstellen. So wurde auf die Farbgebung an ähnlichen Skulpturen aus der Greeff-Werkstatt zurückgegriffen, insbesondere auf die von Carlo Bettendorf restaurierten Möbel der Kirche von Oberkorn. Bevor die Polychromie zur Ausführung kam, wurden mehrere Probefelder angelegt und teils in Mamer, teils in den Werkstätten in Paderborn begutachtet. Zuerst waren Schreiner- und Bildhauerarbeiten erforderlich, um das ursprüngliche Aussehen des Mobiliars wiederherzustellen. Dies gilt besonders für den Hauptaltar, von dem im Kirchenraum selber nur noch wenige Teile vorhanden waren. Glücklicherweise konnten zahlreiche auf Speichern abgestellte Fragmente wiedergefunden werden. Da das Gemälde spurlos verschwunden war, wurde eine Kopie geschaffen nach einem Vorbild in der Kapelle des „Hospice civil“ in Pfaffenthal. Dieses Werk stammt vom Lütticher Maler Jean-Louis Counet (+1743) und zeigt die Taufe Jesu im Jordan. Antependium und Tabernakel des Hauptaltares, die im Laufe der Zeit mehrmals verändert worden waren, stellen ebenfalls Neuschöpfungen nach barocken Vorlagen dar. Die Sebastianstatue der oberen Nische hingegen stammt von der Familie Greeff.

Die Nebenretabel, wie der Hauptaltar von 1723, waren besser erhalten geblieben. Auf der rechten Seite ist der heilige Eligius gleich zweimal mit seinen Attributen Hammer und Amboss dargestellt: auf dem rocailleverzierten Antependium und in der Hauptnische. Diese hervorragend gearbeitete Skulptur verdient besondere Beachtung, da sie zu einer ganzen Serie ähnlicher Abbildungen des gleichen Heiligen gehört, die sich zum Teil in Bour, Bous und Larochette befinden. Ihr Autor konnte bisher nicht mit Sicherheit ermittelt werden. Stilistische Merkmale weisen besonders auf den Bildhauer Nicolas Koenen (+1724) hin. Im Auszug erscheint eine neue Statue des heiligen Joseph. Der linke Seitenaltar dient vor allem der Marienverehrung. Am Antependium ist die von sieben Schwertern durchbohrte Gottesmutter abgebildet, in der Hauptnische erscheint sie als „Consolatrix Afflictorum“. Darüber steht der heilige Märtyrer Donatus. Dieses Bild war 1998 geraubt worden zusammen mit der heiligen Luzia, das bisher nicht wiedergefunden wurde. Bei der Konsekration 1723 stand der Marienaltar „a cornu Epistolae“, das heisst rechts, der Eligiusaltar „a cornu Evangelii“, also links.

Die barocke Kanzel – sie trägt das Datum 1733 – war ursprünglich an einer Seitenmauer des Kirchenraumes befestigt. Seit 1932 hängt sie am Südwestpfeiler des Querhauses. Die Bildnisse der vier Evangelisten mit ihren jeweiligen Attributen zieren den Kanzelkorb. An der Rückwand befindet sich ein Relief des guten Hirten unter der deutenden lateinischen Inschrift: „Ego sum pastor bonus“ (Ich bin der gute Hirt). Es handelt sich dabei um einen Hinweis auf das Pfarrerideal der Gegenreformation. Bekanntlich wurde die regelmässige Predigt beim Reformkonzil von Trient (1545-1563) vorgeschrieben, was zur allgemeinen Verbreitung des Predigtstuhles beitrug. Aus dem 18. Jahrhundert sind ebenfalls zwei Beichtstühle erhalten geblieben. Hier sind Reliefs angebracht, die exemplarische Büsser aus der heiligen Schrift als Vorbilder für die Beichte vor Augen führen: König David und die Rückkehr des verlorenen Sohnes. Die beiden Möbel wurden 1738 geschaffen. Auf die Thematik des Busssakramentes verweist auch die Statue des 1729 heilig gesprochenen Johannes Nepomuk. Bekanntlich wurde der Prager Kanoniker auf Befehl Wenzels II. In die Moldau gestürzt, weil er angeblich das Beichtgeheimnis nicht verletzen wollte.

Die Holztäfelung im Chorraum, 1932 aus dem Chorgestühl hergestellt, wurde durch leichte Vergoldungen an den Skulpturen hervorgehoben. Durch diesen minimalen Eingriff erhielt sie eine stärkere Ausstrahlung und bringt auch den Hochaltar besser zur Geltung.

Heute bildet das restaurierte Barockmobiliar einen künstlerischen Schwerpunkt in der gesamten Kirchenausstattung. Es verbindet nicht nur mit der Vorstellungswelt vergangener Jahrhunderte, sondern es verleiht dem Raum auch einen freudigen und warmen Charakter.
Die bisher in der Missionskapelle vor der Kirche aufgestellte Kreuzigungsgruppe von 1852 wurde jetzt aus konservatorischen Gründen in den nördlichen Teil des Querschiffes versetzt. Auch ihre Polychromie wurde erneuert.

Renovierung des Innenraumes

Mit der Restaurierung des überkommenen Mobiliars war die Instandsetzung der innen ausgesprochen desolat wirkenden Kirche nicht abgeschlossen. Bereits im Jahre 2000 liess die Gemeindeverwaltung die Fassaden gänzlich reinigen und erneuern. Die Kirchenfabrik beauftragte den Architekten Edmond Decker vum Büro a+u mit der Renovierung des Innenraumes. Die technischen Installationen, wie etwa Heizung, Beleuchtung und Lautsprecheranlage, sollten ersetzt werden, der Chor war neu zu gestalten, die Raumschale musste gestrichen werden usw. Diese Arbeiten begannen im September 2002 und konnten im April 2003 abgeschlossen werden.

Wer heute die Kirche betritt, findet ein gänzlich verändertes Raumbild vor. Am Osteingang empfängt eine Vitrine mit zahlreichen Bibeln in den verschiedensten Sprachen den Besucher. „Dein Wort für viele Nationen“ lautet die Botschaft dieser Ausstellung. In Mamer leben Menschen aus fünzig verschiedenen Ländern, und jeder von ihnen soll sich hier angesprochen fühlen.
Durch den neuen, bis in alle Einzelheiten durchdachten Anstrich ist der aus mehreren Perioden stammende Bau zu einem einheitlichen Raum zusammengewachsen. Die architektonische Struktur wird klar betont, das prächtige Mobiliar kommt hervorragend zur Geltung und entfaltet seine Wirkung über das ganze Innere. Die um eine Stufe gesenkte Taufkapelle im südlichen Querhaus ist besser in den Gesamtraum integriert und erlaubt eine leichtere Gestaltung der Zeremonien. Diesselbe Feststellung trifft auf den ins Schiff hinein vergrösserten Chor zu. Der neugestaltete Altar fügt sich mit dem Ambo harmonisch in das Zusammenspiel von Raum und Mobiliar ein. Die im Kircheschiff aufgestellten Stühle ergeben ein ruhigeres Bild als die traditionellen alten Modelle.
Es soll besonders hervorgehoben werden, dass mir grossem Respekt vor all dem, was die Geschichte in der Kirche hinterlassen hat, zu Werk gegangen wurde. Nichts wurde der Mode oder dem Zeitgeschmack geopfert. So blieb zum Beispiel auch der Fliesenbelag aus den dreiziger Jahren des 20. Jahrhunderts erhalten, der vielerorts zugunsten einer exotischen Steinpflasterung hat weichen müssen. Die früher entfernte Kommunionbank aus Marmor fand als Brüstung im Chor wieder Verwendung.
Bauherr bei all diesen Arbeiten im Innern war die Kirchenfabrik. Die Gemeindeverwaltung hat sich finanziell mit einem beachtenswerten Zuschuss beteiligt.
Mit der Altarkonsekrierung am 27. April 2003 fand die Restaurierungskampagne ihren Abschluss. Alle daran beteiligten Personen und Unternehmen verdienen Dank und Anerkennung. Sie haben auf eine überragende Weise Werte aus der Vergangenheit gerettet und ihnen in einem entsprechenden Rahmen eine Ausstrahlung in der Zukunft gesichert. Der im Laufe mehrerer Jahrhunderte entstandene Bau ist nun zu einem einheitlichen Werk zusammengewachsen, das sicher viele Zeitgenossen anzusprechen und zu begeistern vermag.

Alex Langini
in Luxemburger Wort, 8. Mai 2003


 
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