Luxemburgische Schifffahrt muss Nachhaltigkeits- und Menschenrechtsstandards erfüllen: Hinschauen

Stellungnahme von Justice et Paix Luxembourg

Die aktuelle Regierung möchte laut Koalitionsvertrag mehrere Wirtschaftszweige fördern. Die Reise geht dabei sowohl ins All als auch aufs Meer. Seit dem Rücktritt des vorherigen Wirtschaftsministers und der Covid-19 Krise ist es beim „Space Mining“ leiser geworden. Der zweite Wirtschaftszweig hat bislang in der Öffentlichkeit eher ein Schattendasein gefristet. Außer im September vergangenen Jahres als ein Schiff unter Luxemburger Flagge im Atlantik gesunken ist und elf Matrosen als verschollen gelten. [1]

Jean-Louis Zeien (l.), Jean-Paul Lehners

In diesen Covid-19 Krisenzeiten konnten weltweit die Leitlinien der EU-Kommission zum Schutz der Gesundheit, zur Rückkehr und zur Regelung der Reise von Seeleuten, an Bord von Schiffen nur unzureichend umgesetzt werden. Auf Grund der dort geltenden Quarantänebestimmungen in den unterschiedlichsten Häfen konnten weltweit bis zu 200.000 Seeleute nicht in ihre Heimat zurück und viele saßen monatelang in Häfen fest. Auf den luxemburgischen Schiffen gab es nur vereinzelte Fälle von Covid-19 bei den Seeleuten.

Wenn Luxemburg diesen Wirtschafssektor in den kommenden Jahren der Legislaturperiode noch ausbauen möchte, müssen grundlegende Nachhaltigkeits- und Menschenrechtsstandards berücksichtigt werden. Offensichtlich besteht ein gewisses Spannungsverhältnis im Koalitionsvertrag, wenn einerseits der Schifffahrtsförderung hohe Priorität eingeräumt wird, andererseits ein „green shipping“ Konzept noch nicht besteht und menschenrechtliche Fragen erst gar nicht angesprochen wurden.

Gemeinsam mit dem europäischen Dachverband „Justitia et Pax Europa“ hat „Justice et Paix Luxembourg“ [2] sich 2019 an einer Konferenz in Kopenhagen zum Thema „Das Gemeinwohl und unsere gemeinsamen Meere“ beteiligt. Dabei ging es unter anderem um die ökologischen und menschenrechtlichen Auswirkungen der Schifffahrt. Ein Land wie Luxemburg, wo die Weltmeere weit weg von unseren Grenzen liegen, muss nichtsdestotrotz seine Verantwortung übernehmen: Seit fast 30 Jahren gibt es das Luxemburger Seeregister, heute fahren mehr als 200 Schiffe unter Luxemburger Flagge auf den Weltmeeren.

Es stellen sich gleich mehrere Herausforderungen. In der Tat fängt es bereits beim Begriff des „green shipping“ [3] an, der auch hierzulande nicht klar definiert und somit sehr dehnbar ist. Unter „green shipping“ werden in der Regel Maßnahmen zur Verbesserung des Umweltschutzes in der Schifffahrt verstanden. Dabei wird dies jedoch oft eingeengt auf die Verminderung von Schadstoffemissionen der in der Schifffahrt eingesetzten Antriebstechnologien und Kraftstoffe. Hinzu kommen noch die Frage der Entsorgung von Ölrückständen, Verminderung der Müllentsorgung auf See sowie der Einleitung von Abwässern. In der Regel werden aber wichtige Fragen ausgeklammert wie Bau, Instandhaltung, Betrieb bis hin zur Abwrackung von Schiffen (umweltfreundliches Recycling) und den Arbeitsbedingungen in den Abbruchwerften.

Das zuständige „Commissariat aux affaires maritimes“ im Wirtschaftsministerium muss in dieser Legislaturperiode deshalb zuerst noch den Begriff „green shipping“ klären, um dann auch die Bedingungen festzulegen, unter denen man gegebenenfalls günstigere Immatrikulationstaxen für die unter luxemburgischer Flagge fahrenden Schiffe „vergeben“ würde.

Jean-Paul Lehners, Präsident
von Justice et Paix Luxembourg

Justice et Paix Luxembourg fordert, dass „green shipping“ nicht nur auf der Ebene von Immatrikulationstaxen für Schiffe angegangen wird, sondern dass zusätzliche konkrete Anstrengungen unternommen werden, um eine Wende in einem Wirtschaftszweig einzuläuten, der weltweit immerhin für 3 % der CO2-Emissionen steht und in Sachen Menschenrechte und Nachhaltigkeit der ganze Lebenszyklus (Bau bis Recycling) eines Schiffes in der Regel nicht ausreichend berücksichtigt wird.

Hier gilt es den Blick auf das Ganze zu richten: Arbeitsrechtliche und menschenrechtliche Fragen stellen sich in der Tat beim gesamten Lebenszyklus eines Schiffes auf der Ebene der Umweltverschmutzung und deren Auswirkungen auf die betroffene Bevölkerung. So darf „green shipping“ nicht nur eine Frage der Treibhausgasemissionen oder Schwefelgehalt von Schiffskraftstoffen bleiben. Für viele ist der größte Verursacher der Umweltverschmutzung auf einem Schiff einzig und allein der Maschinenraum des Schiffes. Das Recycling von Schiffsteilen und die Aufarbeitung alter Schiffe ist zudem eine der größten Herausforderungen in Sachen Umwelt und Menschenrechte.

Umweltschutz und Gesundheitsschutz

In Sachen Umweltschutz gibt es weltweit seit diesem Jahr eine Regelung, die auch von „luxemburgischen“ Schiffen umgesetzt werden muss. „Ab dem 1. Januar 2020 darf der Schwefelgehalt von Schiffskraftstoffen weltweit nicht mehr 3,5 %, sondern nur noch höchstens 0,5 % betragen – im Interesse einer sauberen Luft und eines besseren Umwelt- und Gesundheitsschutzes. Schwefeloxid-Emissionen (SOx) aus Verbrennungsmotoren von Schiffen führen zu saurem Regen und Feinstaub, was Atemwegs- und Herz-Kreislauf-Erkrankungen fördern und die Lebenserwartung verringern kann“. [4] Diese Regelung wird vor allem Vorteile für die Umwelt weltweit und die Gesundheit bringen, insbesondere für die Bevölkerung, die in der Nähe von Häfen und Küsten lebt.

Ein Weltakteur, der unter luxemburgischer Flagge (im Bereich Laderaumsaugbaggerschiffe) fährt, hat 2019 darauf reagiert. Er gibt an mit 100 % erneuerbarem und „schwefelfreien“ Brennstoff seine CO₂ Emissionen „um mindestens 80 %“ [5] zu reduzieren. Hinsichtlich der Produktion dieses Biokraftstoffes soll es zudem „keine Landnutzungsprobleme und keine Konkurrenz zur Nahrungsmittelproduktion oder Abholzung“ [6] geben.

Auf technologischer Ebene gibt es im luxemburgischen Wirtschaftssektor innovative Lösungsansätze hinsichtlich „green shipping“: Im Mai dieses Jahres gab die Solar Impulse-Initiative von Bertrand Piccard (die tausend effiziente und saubere Lösungen für Umweltprobleme präsentiert) bekannt, dass das in Luxemburg ansässige Unternehmen Apateq ausgewählt wurde. Apateqs System zur Aufbereitung von Waschwasser aus der Abgasreinigung von Schiffen hat hier innovative und richtungsweisende Schritte geleistet.

Insgesamt bleibt die Schifffahrtsindustrie gefordert, weitere technologische Verbesserungen zu mehr Umweltschutz zu entwickeln, auch besonders was den ganzen Lebenszyklus eines Schiffes angeht.

Luxemburg auf den Weltmeeren – aus den Augen, aus dem Sinn?

Zuerst ist die Regierung gefordert ein ganzheitliches Konzept von „green shipping“ vorzulegen. Dann stellen sich eine Reihe von kritischen Fragen: Wie wird dieses Konzept gefördert bei Schiffen unter luxemburgischer Flagge? Die Förderung von „green shipping“ kann mithin nicht nur auf der Ebene der Immatrikulationstaxen der Schiffe angegangen werden. Auf welche Arten von Schiffen soll gesetzt werden (Öltanker, Passagierschiffe, Containerschiffe usw.) wenn die luxemburgische Schifffahrt ausgebaut werden soll? Konkrete Anstrengungen müssen gemacht werden in einem Sektor, der als besondere Herausforderung im Bereich „Menschenrechte und Wirtschaft“ in den beiden nationalen Aktionsplänen hervorgehoben wurde.

Jean-Louis Zeien, Generalsekretär
von Justice et Paix Luxembourg

Wegen der Kritik an den Missständen beim Ausschlachten der Schiffswracks hat die Internationale Seeschifffahrtsorganisation (IMO), eine Unterorganisation der Vereinten Nationen, im Jahr 2009 das sogenannte Hongkong-Übereinkommen verabschiedet. Mit diesem Abkommen soll ein umweltfreundliches Recycling (inklusive Entwurf über den Bau, die Instandhaltung und den Betrieb bis hin zur Abwrackung) von Schiffen und die weltweite Verbesserung der Arbeitsbedingungen in den Abbruchwerften angestrebt werden. So sollen auch die mit dem Schiffsrecycling verbundenen Umwelt-, Arbeitsschutz- und Sicherheitsrisiken angegangen werden. In diesen „Schlachthöfen für Schiffe“ (Indien, Bangladesch) herrschen zum Teil lebensbedrohliche Arbeitsbedingungen vor.

Doch auch zehn Jahre nach seiner Verabschiedung ist das Übereinkommen noch nicht in Kraft. Bis heute haben 15 Staaten, darunter auch unsere Nachbarländer Belgien, Deutschland, Frankreich die Konvention ratifiziert oder sind ihr beigetreten. Ihre Handelsflotten machen zusammen 30,21 % der Bruttotonnage der Welthandelsflotte aus. Dies ist jedoch nicht ausreichend, damit das Übereinkommen in Kraft treten kann.

Luxemburg hat das Übereinkommen bislang immer noch nicht ratifiziert [7]. Dies ist unverständlich, da es zum Wohle der Umwelt und der betroffenen Menschen ein wichtiger Schritt nach vorne wäre.

Menschen- und Arbeitsrechte auf dem Meer

Im menschenrechtlichen Bereich gibt es weltweit noch viele offene Fragen. Papst Franziskus hat 2019 beim Treffen von Stella Maris (eine Vereinigung von Seelsorgern) die in fast 300 Häfen in 55 Ländern in Not- und Konfliktfällen den Seeleuten zur Seite steht, darauf hingewiesen, dass es „beschämende Erfahrungen von Ausnutzung und Ungerechtigkeit“ gibt. [8] Menschrechtliche Probleme gibt es besonders im Bereich der Hochseefischerei (wo keine Schiffe unter luxemburgischer Flagge fahren).

In einer Präsentation des Dänischen Instituts für Menschenrechte über die „Rechte der Seeleute in der globalisierten maritimen Industrie“ werden auch menschenrechtliche Probleme angesprochen wie Schuldknechtschaft/ Zwangsarbeit, überlange Arbeitszeiten, Diskriminierung, Todesfälle und Verletzungen auf See, Fragen der psychischen Gesundheit sowie unbezahlte Löhne.

Es gibt eine maritime Arbeitskonvention (MLC) die Minimalgarantien bieten soll in Sachen Mindestlohn, Arbeitsschutz, Gesundheitsvorsorge und Versicherung. Laut Gewerkschaftsvertretern liegt das Problem vor allem auf der Ebene der Durchsetzung dieser „Spielregeln“ auf hoher See.

Wer fährt mit unter Luxemburger Flagge?

In der Regel haben Gewerkschaftsvertreter kaum Kontakt mit Seeleuten, die nicht in der Binnenschifffahrt arbeiten. Wer würde schon, der in Luxemburg seine Wurzeln hat, als Seemann auf den Weltmeeren für einen Mindestlohn von 625 US Dollar im Monat arbeiten? Verschiedene Arbeitgeberverbände sind sich auch einig, dass man zu solchen Gehältern keine erfahrenen Seeleute engagieren kann und in der Praxis deshalb oft auch höhere Gehälter von verantwortlichen Schiffsbesitzern gezahlt werden.

Hierzulande ist es kaum bekannt, dass in diesem „einheimischen“ Wirtschaftssektor ein Fünftel der Beschäftigten auf See von den Philippinen stammt. Der Jahresbericht vom „Commissariat aux affaires maritimes“ (CAM) macht dies deutlich: Ende 2019 gab es demnach in Luxemburg 207 Unternehmen („Entreprises maritimes“), die mit der Schifffahrt zu tun hatten. Zum gleichen Zeitpunkt umfassten die Datenbanken des CAM die Namen von rund 14.336 Menschen, die auf in Luxemburg zugelassenen Schiffen arbeiten – die meisten von ihnen stammen von den Philippinen, aus Belgien, aus der Ukraine, Indien, Kroatien und den Niederlanden. In einem Punkt sind Gewerkschaften sowie (manche) Arbeitgeberverbände sich einig. Es braucht nicht unbedingt mehr Reglementierung, sondern die Durchsetzung der bestehenden Regeln. Dort liegt der wunde Punkt, denn es gibt immer wieder Beanstandungen im Bereich der Arbeitsbedingungen. In diesem Sinne brauchen wir ein nationales Gesetz zur menschenrechtlichen und umweltbezogenen Sorgfaltspflicht, wie es auch von Justice et Paix als Mitglied der „Initiative pour un devoir de vigilance“ gefordert wird.

Im Jahresbericht des Luxemburger „Commissariat aux affaires maritimes“ von 2019 kann man nachlesen, dass auf 170 in Luxemburg zugelassenen Schiffen Kontrollen durchgeführt wurden, dabei stellten die Prüfer auf 97 Schiffen Mängel fest. 18 Prozent dieser Mängel standen in einem direkten Zusammenhang mit der Brandschutzsicherheit und den Arbeitsbedingungen sowie dem Wohlergehen der Crew-Mitglieder.

Wenn Luxemburg weiterhin eine Rolle auf den Weltmeeren spielen möchte als Seefahrernation und eine kohärente Kandidatur für den Menschenrechtsrat der Vereinten Nationen für 2022 abgeben möchte, dann muss auch ein Focus auf Menschenrechte und Nachhaltigkeit gelegt werden. Ein möglichst ganzheitliches „green shipping“ Konzept, die Verabschiedung des Hongkong-Übereinkommens und ein nationales Gesetz auf der Grundlage der UN-Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte wären Schritte in die richtige Richtung beim Lichten der Anker.

Luxemburg, den 14. Oktober 2020
Luxemburgische Schifffahrt
Stellungnahme von Justice et Paix Luxembourg (update)

[1Hierzulande gilt die EU Direktive 2018/131 erst ab 1. Januar 2020, in der für eine Entschädigung im Todesfall von Seeleuten unter der Form einer Schutz- und Entschädigungsversicherung eingeführt wird.

[2Die luxemburgische Kommission Justice et Paix setzt sich seit 1971 aus christlicher Verantwortung für die Bereiche Gerechtigkeit, Frieden, Erhalt der Schöpfung und Respekt der Menschenrechte ein.

[7Antwort IMO vum 22.04.2020: “Luxembourg has not yet ratified the Convention. It is my sincere hope that more Countries will ratify the Hong Kong Convention to enable its early entry into force in the near future for the benefits of the environment and ship safety”.

 
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