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Der Glaube von ... Hiob

Bild: Julia Meuer

Während des Exils in Babylon, um 587 v. Chr., haben die Juden alles verloren. In ihrer Verzweiflung werden einige dazu gebracht, ihrer Existenz jeglichen Wert zu entziehen, bis sie sogar ihren Glauben an die Gerechtigkeit Gottes infrage stellen. In diesem nachexilischen Kontext wurde das Buch Hiob – Frucht von Beiträgen vieler Autoren - zwischen 450 und 350 v. Chr. abgefasst. [1] In diesem komplexen Meisterwerk überlagern sich eine Prosaerzählung (1-2 und 42,7-17) und ein Gedicht in Versen (3,1-42,6).

Dieses dramatische Werk ist in die Bewegung der Weisheitsliteratur eingeschrieben, die im Alten Orient sehr verbreitet war. Es bietet Überlegungen zu den großen Fragen des Daseins: das Böse, das Leid und der Tod. In der Vorstellung der Epoche waren die Zeichen von Erfolg und Weisheit: ein langes Leben, Kinderreichtum, Gesundheit und ein Überfluss an Reichtum; im Gegensatz dazu betrachtete man als Zeichen eines Mangels an Weisheit: das Leid, eine geringe Lebensqualität und einen frühzeitigen Tod.

Dennoch widerspricht die Erfahrung zu allen Zeiten und überall dieser Anschauungsweise; denn es gibt Leute, die für ihre Weisheit bekannt sind und dennoch leiden. Um dieser Sackgasse zu entkommen, ist ein Ausweg gefunden worden: wenn nicht ein Mangel an Weisheit Grund für das Leid ist, dann ist es die Sünde. Wie soll man nun erklären, dass es Gerechte und Unschuldige gibt, die leiden, wohingegen Boshafte triumphieren? Auf diese Frage versucht das Buch Hiob zu antworten, indem es den Fall eines leidenden Gerechten in den Blick nimmt, was für die Mentalität dieser Epoche ein irreales Paradoxon war.

Im Mittelpunkt des Buches, das seinen Namen trägt, befindet sich Hiob, ein Heide aus dem Land Uz (1,1), einem Gebiet des Landes der Edomiter [2], Nachbarn der Israeliten und Nachkommen Esaus (Gen 36,1…28). Hiob wird beschrieben als ein untadeliger und rechtschaffener Mann, der Gott fürchtet und das Böse meidet (1,1; 1,8; 2,3). Er ist ein Weiser, der Lebensjahre und Reichtum angehäuft, und viele Kinder hat. Aber sein Leben wird eines Tages auf den Kopf gestellt, als der Widersacher (wörtlich Satan) [3] von Gott die Erlaubnis erhält, ihn auf die Probe zu stellen.

Geschlagen in seinen Gütern und Kindern, in seinem Fleisch durch eine schwere Krankheit getroffen, weigert Hiob sich, Gott zu verfluchen, wie seine Frau es ihm nahelegt (2,9). In dieser kritischen Situation betreten die Freunde von Hiob die Szene, die, absolut mitfühlend mit ihm, versuchen, eine Erklärung für all das Unheil, das über ihn hereinbricht, zu finden. Durch ihre jeweiligen Reden stellen Hiob und seine Freunde ihre Auffassung der göttlichen Gerechtigkeit einander gegenüber. Die drei Freunde Hiobs: Elifas (5,17), Bildad (8,20) und Zofar (11,6) treten für die traditionelle These der irdischen Vergeltung ein: man erntet hier auf Erden, was man sät. Mit anderen Worten, wenn Hiob leidet, dann ist dies, weil er etwas Schlechtes getan hat, demnach muss er demütig seine Sünde erkennen. Hiob fordert seine Freunde auf, ihm zu zeigen, worin er sich geirrt haben könnte (6,24). Ihrer vorgefassten Antwort setzt er die Erfahrung schmervoller Ungerechtigkeiten entgegen, die die Welt erfüllen:„Zum Spott für die eigenen Freunde soll ich sein, ich, der Gott anruft, dass er mich hört, ein Spott der Fromme, der Gerechte…In Ruhe sind der Gewaltmenschen Zelte, voll Sicherheit sind sie, die Gott erzürnen…“ (12,4…6). Gegenüber der Ablehnung Hiobs, sich davon überzeugen zu lassen, Abbitte zu leisten, kommt der junge und aufbrausende Theologe Elihu den Freunden zu Hilfe, indem er in Erinnerung ruft, „was der Mensch tut, das vergilt er (Gott) ihm, nach eines jeden Verhalten lässt er es ihn treffen.“ (34,11).

Hiob akzeptiert diese Theologie (21,34), die von der alltäglichen Erfahrung widerlegt wird, nicht: die Boshaften überleben immer (21,7) und die Unschuldigen kommen zu Tode (9, 22f.). Er selbst, der unschuldig war, wurde ungerechterweise vom Unheil getroffen (23,7; 24,25). Deswegen empört Hiob sich gegenüber Gott, weil das Böse seiner Heiligkeit und Gerechtigkeit widerspricht, und von ihm das Bild eines Gottes ohne Güte abgibt, eines „Menschenwächters“ (7,20; 10,1-22). Hiob schreit zu Gott, aber dieser antwortet ihm nicht (30,20); als würde Hiob für ihn nicht zählen. Gegenüber einem solchen Gott kann man nur Angst haben (23,15). Dennoch, das Erstaunlichste bei Hiob ist, dass dieser, trotz der Abwesenheit und Stille Gottes (9,2ff.), weiter auf ihn hofft: „Doch ich, ich weiß: mein Erlöser lebt, als letzter erhebt er sich über dem Staub.“ (19,25; 23,4). Hiob hat die tiefe Gewissheit, dass die Abwesenheit Gottes nur scheinbar ist, und das es ihm nicht gelingt, seine Anwesenheit zu erfassen (23,2-9).

Im Sturm [4] des Leidens, der Bitterkeit und der Kritik, greift Gott ein, nicht nur, um auf die Fragen Hiobs zu antworten, sondern interessanterweise (38,1), um die Transzendenz seines Seins und seiner Absichten zu offenbaren (38,4), und ihn in seinem guten Recht zu bestätigen. Gleichzeitig prangert er die Theologie der Freunde Hiobs als Irrglaube an: „ihr habt nicht recht von mir geredet wie mein Knecht Hiob“ (42,7). Hiob erlangt seine Gesundheit wieder, Gott gibt ihm noch mehr Güter und Kinder und er stirbt „hochbetagt und satt an Lebenstagen“ (42,17). So endet die Erzählung mit einem glücklichen Ausgang: die Gerechtigkeit triumphiert immer und der Gerechte wird belohnt. Auf der Seite einer theologischen Finalität verfolgt das Buch vermutlich ein gesellschaftliches Ziel: die Ungeduldigen zu beruhigen, die Aufrührer zum Schweigen zu bringen, und so die allgemeingültige gesellschaftliche und religiöse Ordnung zu schützen.

Bei allem Raum, den das Buch Hiob der Verzweiflung und dem Kampf gegen Gott gibt, wirft es ein interessantes Licht auf Ursprung und Sinn des Leidens des Gerechten, obwohl es mehr Fragen stellt, als Antworten gibt. Vielleicht wird man niemals eine befriedigende Antwort auf diese existentielle Frage finden; denn das Böse ist sinnlos. Hiob weiß seinen Glauben über das Leiden hinaus zu bewahren. Er ist eine Parabel für die Treue des Menschen zu Gott über die materiellen Umstände hinaus. Ist diese Unentgeltlichkeit des Glaubens nicht ein Zeichen der wahren Religion? Mehr noch, das Buch Hiob wagt es die Theologie der irdischen Vergeltung in Frage zu stellen, was für diese Epoche eine Revolution ist.

Wenn auch in dieser Welt die Gewalttätigen oft das letzte Wort haben, und es den Boshaften gelingt, ihr Gesetz aufzuzwingen, müssen die „Gerechten“ das Böse in all seinen Formen bekämpfen. Die Gekreuzigten der Geschichte können den Schrei Hiobs wagen. Dieser Schrei ist ein Schrei der Not, nicht der Hoffnungslosigkeit, der sich noch immer an Gott selbst, inmitten allen Leidens, richtet.

Fragen zum Austausch:

 Was steht in der Erzählung von Hiob auf dem Spiel?
 Was ist nach den Freunden Hiobs der Grund für dessen Unglück? Was können wir daraus ableiten?
 Wie kann der Glaube Hiobs unsere Beziehung zu Gott und unsere pastorale Praxis inspirieren?

[1Einige Exegeten ordnen die Veröffentlichung des Buches Hiob in die vor-mosaische Epoche ein, andere ins zweite Jahrhundert. Die meistverbreitete Meinung siedelt es in der nachexilischen Epoche an.

[2Edom ist das Land des Berges Seïr (Ez 35,15), dies entspricht dem heutigen äußersten Süden Jordaniens. Vgl. Dictionnaire de la Bible et des religions du livre S. 161.

[3Der Satan symbolisiert „den Ankläger“ par excellence (Vgl. Zef 3, 1-2). 1Chr 21,1 ist der einzige Text das Alten Testaments, der ihn als Eigennamen, ohne Artikel, verwendet. Satan kann eine Hypothese sein, um den Ursprung des Bösen zu erklären.

[4Der Sturm bezieht sich auf die altmodische Theophanie Jahwes, der seine furchterregende Allmacht zum Ausdruck bringt (vgl. Ps 18,8-16; Ez 1,4; Ex 13,22). Dass Gott sich einem Heiden, in der Person von Hiob, offenbart, ist äußerst selten in der Bibel.

 
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