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Der Glaube von ... Judit

„Denn deine Macht stützt sich nicht auf die große Zahl, deine Herrschaft braucht keine starken Männer, sondern du bist der Gott der Schwachen und der Helfer der Geringen; du bist der Beistand der Armen, der Beschützer der Verachteten und der Retter der Hoffnungslosen.“ (Judit 9, 11)

Bild: Julia Meuer

Judit, hebräisch die „Jüdin“, ist eine junge verwitwete Israelitin und Heldin des Buches, welches ihren Namen trägt. Sie symbolisiert ganz Israel; Israel ist wie Judit verwitwet, weil es sich von Gott entfernt hat. Die Ereignisse, die vermutlich den Ausgangspunkt des Textes darstellen, sind angesichts der Ungenauigkeiten und der Zusammenhanglosigkeiten der aktuellen Erzählung unzugänglich. Wir haben es vielmehr mit einer midrash zu tun, einer jüdischen, oftmals verwendeten Methode der Relektüre der Geschichte, mit dem Ziel, den Ereignissen einen Sinn zu geben.

Das Buch Judit ist Ende des 2. Jahrhunderts vor Christus geschrieben worden, einer für das jüdische Volk teilweise sehr harten Epoche. Es ist abhängig vom syrischen König, der die griechischen Gebräuche allen besetzten Völkern auferlegt. Sprache, Architektur, Städtebau, politische Organisation, alles trägt das Zeichen des Besatzers und trifft auf die Zustimmung der Leitenden, die stolz sind, Teil der führenden weltlichen Elite zu sein. Das Volk organisiert den Widerstand auf unterschiedliche Weise: durch Waffen und durch die Abfassung neuer Bücher (1 und 2 Makkabäer, Daniel oder Judit), aber es ist uneins angesichts des Risikos den Glauben an seinen Gott zu vergessen. Der Widerstand wird inszeniert während der Belagerung der Stadt Betulia (anderswo unbekannt), durch Holofernes, Kommandant des Heeres von Nebukadnezzar [1], König der Assyrer. Achior [2], der Anführer der Ammoniter (Verbündete der Assyrer), versucht Holofernes davon abzubringen, sein Werk der Zerstörung weiter zu verfolgen (5,5-21). Weit davon entfernt sich überzeugen zu lassen, entschließt sich Letzterer – er hält Achior für einen Landesverräter – diesen in Richtung des Lagers der Israeliten zu vertreiben, damit er zusammen mit diesen niedergemetzelt würde.

Ironie: Während Achior (der Heide) davon überzeugt ist, dass Gott sein Volk beschützt, solange Israel ihm treu bleibt (5,17-18) [3], finden sich die Einwohner von Betulia (Angehörige des Volkes Gottes) – es fehlen ihnen Wasser und Nahrung – mit einer Kapitulation ab, die Sklaven aus ihnen macht. Aber Usija, einer der Ältesten, verkündet ihnen in Gegenwart der führenden Männer der Stadt: „Wir wollen noch fünf Tage aushalten. In dieser Zeit wird der Herr, unser Gott, uns sein Erbarmen wieder zuwenden…Sollten aber diese Tage vergehen, ohne dass uns geholfen wird, dann will ich tun, was ihr gefordert habt.“ (7,30-31).

In dieser hoffnungslosen Situation kommt Judit ins Spiel, eine Frau von außerordentlicher Schönheit und aufgrund ihrer bedeutenden Eigenschaften gleichgestellt. Sie lädt die Ältesten ihres Dorfes zu sich ein, um dagegen aufzubegehren, das Heil Gottes durch Zählen der Tage zu erwarten; „denn Gott ist nicht wie ein Mensch, dem man drohen kann, und wie ein Menschenkind, das man beeinflussen kann.“ (8,16). Vielmehr versucht sie ihren Brüdern Mut zu geben, indem sie zu den Ältesten sagt: „Daher, liebe Brüder, wollen wir jetzt unseren Stammesbrüdern beweisen, dass wir für ihr Leben einstehen, und dass das Heiligtum, der Tempel und der Altar, sich auf uns verlassen können. Bei alldem lasst uns dem Herrn, unserem Gott, danken, dass er uns ebenso prüft wie schon unsere Väter.“ (8,24-25).

Obwohl er die Weisheit, Schönheit und Intelligenz Judits kennt, verweist Usija sie zurück zu ihren Gebeten und entscheidet, die Stadt an Holofernes auszuliefern wie vorgesehen. Judit verurteilt seinen Plan die Stadt zu retten nicht, sie ist davon überzeugt, dass der Herr Israel durch ihre Vermittlung besuchen wird (8,33), aber sie entscheidet sich, ihren Plan für ein möglichst geringes Wagnis geheim zu halten.

Nachdem sie zum Herrn ein Gebet gesprochen hat (9,1-14), bricht Judit zum Lager der Feinde auf, bekleidet mit ihrem schönsten Schmuck und in Begleitung ihrer nahestehenden Dienerin. Sie erbittet und erhält ein Treffen mit Holofernes, dem Oberbefehlshaber des assyrischen Heeres. Durch ihre Schönheit und Intelligenz besticht sie Holofernes und seine Offiziere bis zu dem Punkt, dass dieser sie in sein Zelt einlädt, mit der Absicht, eine Beziehung mit ihr einzugehen. Holofernes verliert in Gegenwart der bezaubernden Judit die Kontrolle und trinkt Wein bis er betrunken ist. Dies bietet ihr die Gelegenheit ihn zu enthaupten. Anschließend übergibt sie den Kopf ihrer Dienerin, die ihn in ihren Proviantsack steckt (13,8-10). Ohne Anführer waren die Assyrer in einem unorganisierten Zustand, was Israel ermöglichte, einen großen Sieg davon zu tragen.

Nachdem Achior, der weise Heide, vernommen hat, was der Gott Israels für sein Volk getan hat, glaubt er fest an ihn und beschließt sich beschneiden zu lassen und Angehöriger des Volkes Gottes zu werden (14,9-10), obwohl er aus einem angesehenen wie auch verfluchten Volk entstammt [4]. Sein Werdegang zeigt, dass die Botschaft des Buchs Judit sich nicht auf eine Konfrontation zwischen Israel und heidnischen Völkern reduzieren lässt, sondern sich der Welt öffnet: jeder Mensch ist aufgerufen, Teil des Volkes Gottes zu sein.

Die Gewalt der Tat Judits kann einen zu recht aus der Fassung bringen (wie auch andere biblische Erzählungen). Das ist so, weil die Bibel nicht zum Ziel hat, die Realität zu beschönigen, sondern das Leben der Männer und Frauen so widerspiegelt, wie sie sind – mit ihren Grenzen, ihren Vorzügen und ihren Mängeln; sie erzählt von ihren Kämpfen und von ihrem Durst nach Gerechtigkeit, Liebe und Wahrheit. Darüber hinaus und durch die Umwälzungen in der Geschichte, die manchmal glorreich und oft gewalttätig waren, verwirklicht Gott seinen Heilsplan auf eine Art und Weise, die nur er kennt. Durch das Handeln Judits, die Einzige, die den Glauben behält als alles verloren scheint, bringt Gott seinem Volk das Heil. Nach ihrer Heldentat führt sie ein einfaches Leben, weit davon entfernt nach Macht zu streben. Ein Leben, das seinen Wert aus anderen Dingen zieht, als den „Aufgaben“ einer Ehefrau und Mutter und entgegengesetzt der allgemeinen Vorstellung von einer Frau. Vor ihrem Tod schenkt sie ihrer Dienerin die Freiheit und verteilt ihre Güter (16,23-24).

Letztendlich zeigt uns das Buch Judit, dass Glaube und Mut Berge versetzen kann. Angesichts brutaler Gewalt ist moralische Stärke eine wirkungsvolle Waffe. Die schöne Judit schafft es, den brutalen Holofernes von seinem Thron zu stoßen, weil ihre äußere Schönheit ebenso strahlt wie ihre innere Kraft: ihr Glaube an Gott, ihre Werte und Taten sind im Einklang. Ist die Figur der Judit nicht ein Paradigma für das Volk Gottes gestern und heute?

Fragen für den Austausch:

- Was halten wir von dieser Erzählung? Was inspiriert uns, besonders in Situationen, in denen alles verloren scheint?
- Welche Gottesbilder sind im Text präsent? Was halten Sie von diesen?
- Wie spricht die Figur der Judit unsere heutige Gemeinschaft an?

[1Nebukadnezzar hat sich zum Herrn über die ganze Erde ausrufen lassen und wollte sich sogar als Gott anbeten lassen (3,8).

[2Sein Name bedeutet „Mann der Weisheit“ oder „mein Bruder ist Licht“.

[3Achior erklärt hier die deuteronomistische Theologie der direkten Vergeltung der guten und schlechten Taten aller, wie sie auch die alten Propheten der jüdisch-israelitischen Monarchie lehrten; eine Theologie, die von Judit zurückgewiesen wird (Vgl. 8,15; 8,18-20b).

[4Siehe Dtn 23,4-7.

 
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