Wir wollen mit Geld die Hilflosen kaufen

Ungleichheit und Ausgrenzung

„Wir wollen mit Geld die Hilflosen kaufen“
Ungleichheit und Ausgrenzung

Prophetentext Amos 4,1-3 und 8,4-8a

Fragen zur Lektüre in Gemeinschaft

  • Welcher Satz erstaunt mich oder spricht mich besonders an? Warum?
    • Welche Praktiken verurteilt der Prophet?
    • Worin sind sie für ihn inakzeptabel?
    • Welche Folgen sagt er voraus?

Zum besseren Verständnis von Amos 4,1-3 und 8,4-8a

Um 750 v. Chr. begibt sich Amos aus dem Reich Juda in das Königreich Israel, das Dank der Konjunktur und des internationalen Handels, der sie beflügelt, wohlhabend ist. Für seine Sicht von außen ist der Kontrast zwischen dem durch die höhere Klasse zur Schau gestellten Luxus und den Armen, Ausgebeuteten, schockierend; ebenso wie zwischen dem Reichtum des Nordens und der Mittellosigkeit seines Herkunftslandes. Er ergreift das Wort als Prophet in der Hauptstadt Samaria, um im Namen Gottes dieses Verhalten anzuprangern; sei es das der Oberschicht, Händler, Richter oder Eigentümer: ihr Kult ist das Geld.

Es ist der Luxus und zudem ihre Gleichgültigkeit, die beim Propheten Anstoß erregen, wenn er die neureichen Frauen der Oberschicht in Samaria sieht. Die Sprache des Propheten ist dermaßen hart, dass er beleidigend wird, wenn er die Damen der feinen Gesellschaft anprangert, die gierig nach Prestige und Genuss und niemals zufrieden sind. Denn ihr Luxus resultiert nicht aus ihrer Arbeit. Sie bereichern sich auf Kosten der Schwachen und Armen. So kann der Bote Gottes - „orakeln“: er lässt nicht locker – er verkündet, dass sie wie Tiere oder Kadaver behandelt werden: weggeschleppt mit einem Fleischerhaken oder Angelhaken. Denn ihr Verhalten, das auch ihre Ehemänner mitschuldig macht, ist eine Beleidigung der Heiligkeit Gottes selbst.

Der Wohlstand stellt das soziale Leben in der Tat auf den Kopf. Die Mächtigen profitieren von ihrer Position, um betrügerisch Reichtümer aufzukaufen. Jene, die sich bereichern, hören nicht auf, immer mehr zu verlangen, und treiben damit die anderen in Armut und Selbstverachtung. Profitgier und ausschweifender Lebensgenuss zerstören die gesellschaftliche Solidarität. Amos stützt sich nicht auf ein Gesetz, das übertreten worden ist, sondern auf den moralischen Anspruch: die Unmenschlichkeit der Reichen ist inakzeptabel. Im Namen der Verteidigung der Schwachen durch Gott, führt Amos eine neue Idee bezüglich des Verhältnisses zu Gott ein. Die Ungerechtigkeit provoziert einen Bruch mit der Natur, mit den anderen und mit Gott (vgl. Gen 3,14-19). Gott kann seine Augen nicht mehr verschließen, er muss eingreifen. Und der Prophet kündigt einen katastrophalen Ausgang für das gesamte Land und die ganze Erde an.

Gaudium et Spes 63 im Licht von Amos 4,1-3 und 8,4-8a

Fragen zum Leben in der Gemeinschaft

  • Welcher Satz erstaunt mich oder spricht mich besonders an? Warum?
    • Wie beleuchtet dieser Text Amos 4,1-3 und 8,4-8a?
    • Inwiefern spricht dieser Text unsere heutigen christlichen Gemeinschaften an?

Aktualisierung

Die Entwicklung der Wirtschaft und ihr Platz in der Gesellschaft verleihen der Mahnung des Konzils eine brennende Aktualität: der Mensch soll Zentrum und Ziel jeglicher Aktivität sein. Es ist das „Gemeinwohl“, ein beliebter Begriff der Soziallehre der Kirche, das den Horizont und das Auswertungskriterium aller Prozesse bestimmt.

Und Fortschritt ist da. Dank zwischenmenschlicher und internationaler Beziehungen entwickelt sich eine steigende Verdichtung des Wachstums von Gütern und Dienstleistungen, von denen einige notwendiger sind als andere. Die Menschheit ist also in der Lage, ab sofort auf die primären Notwendigkeiten der ganzen Menschheit zu antworten, indem sie allen zur Verfügung stellt, was durch weltweite Zusammenarbeit hergestellt und erfunden werden kann. Leider zeigt die vergangene Zeit die Kehrseiten einer gewissen Art der Entwicklung: der Abstand vergrößert sich und die Natur stirbt.

Wenn wir so weit davon entfernt sind – und in einem guten Teil der Fälle entfernen wir uns mehr und mehr – dann, weil die Mahnung vom Anfang nicht gehört worden ist: der Ökonomismus hat die Stelle des Humanismus eingenommen. Die auf die Finanzen reduzierte Wirtschaft ist ein Ziel für sich geworden, unabhängig von der Zweckbestimmung der Güter für alle menschlichen Gruppen. Eine Steuerung, die blind ist auch auf Seiten derer, die im Überfluss die Steuerknüppel an sich reißen, kann nichts anderes hervorrufen, als schwere soziale Ungleichheit, und jene untergraben, die bereits existieren. Zur Schande des Luxus, der mit der Armut in Berührung kommt, kommt die Verantwortungslosigkeit der Entscheidungsträger hinzu. Zu diesem Thema hat Papst Franziskus ganz klare Worte: „Dieses Abdriften spielt sich auf individueller und gesellschaftlicher Ebene ab. Und es wird gefördert! In einem solchen Zusammenhang wird die Solidarität, die der Schatz des Armen ist, oft als kontraproduktiv betrachtet, gegensätzlich zur finanziellen und wirtschaftlichen Rationalität. Obwohl die Wiederkehr einer Minderheit auf exponentielle Weise wächst, wird jene der Mehrheit schwächer. Dieses Ungleichgewicht entspringt den Ideologien der Urheber der absoluten Autonomie des Marktes und der Finanzspekulation, und leugnet so das Kontrollrecht der zuständigen Staaten, statt sich um das Gemeinwohl zu kümmern. Es richtet sich eine neue unsichtbare Tyrannei auf, manchmal virtuell, die ihre Gesetze und Regeln einseitig, und ohne möglichen Einspruch, auferlegt“  [1].

[1Rede vor den Botschaftern von Luxemburg, Kirgisien, Antigua und Barbuda und von Botswana, zur Gelegenheit der Präsentation ihrer Beglaubigungsschreiben (16.05.2013)

 
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